Von Dr. Susanne Scharnowski
Einerseits ist das Wort ‚Heimat‘ in unserem Alltag präsent und sichtbar. Im Marketing ist es seit einigen Jahren offenbar sogar unentbehrlich: Unter Slogans wie „Ein gutes Stück Heimat“ oder „Unsere Heimat, echt und gut“ und mit Markennamen wie „Heimatliebe“ lassen sich anscheinend die unterschiedlichsten Produkte bis hin zu Gin und Jeans vermarkten. In der politischen Rede allerdings ist ‚Heimat‘ nicht unumstritten, was vor allem daran liegt, dass dieses Wort seit dem 20. Jahrhundert propagandistisch instrumentalisiert wurde. Auch deshalb polarisiert es, vermehrt seit den 1960er Jahren, und sorgt immer wieder für Debatten, zuletzt etwa seit der Gründung von „Heimatministerien“ durch die CDU. Für einen Teil der politischen Linken ist ‚Heimat‘ nach wie vor Synonym für Rückständigkeit, Abschottung und Nationalismus, negativer Gegenpol zu Weltoffenheit und Kosmopolitismus, ein durch NS-Propaganda verbrannter oder gar „bis ins Innerste vergifteter“ Begriff, dem eine „strukturell völkische Dimension“ zugeschrieben wird. Diese Perspektive ist vermutlich einer der Gründe dafür, dass die Bundesministerin des Innern und für Heimat, Nancy Faeser, im Mai 2022 twitterte: „Wir müssen den Begriff #Heimat positiv umdeuten und so definieren, dass er offen und vielfältig ist.“ Für die allergrößte Mehrheit der Deutschen ist das Wort allerdings bereits positiv konnotiert; die Aussage der Ministerin kam daher nur bedingt gut an, zumal nicht deutlich wurde, wer das ‚wir‘ sein sollte, von dem in dem Tweet die Rede war.
Doch es mag sein, dass angesichts der vielfältigen Krisen und Herausforderungen des 21. Jahrhunderts – aktuell in erster Linie Pandemie, Krieg und Klimawandel –, sowie mit Blick auf die aus diesen Krisen hervorgehenden Polarisierung der Gesellschaft eine neuerliche Verständigung darüber, was wir unter Heimat verstehen, tatsächlich sinnvoll oder sogar notwendig ist. Es wäre jedoch wichtig, dass diese Verständigung nicht durch verordnete Neudefinitionen, sondern vielmehr durch offene Debatten erfolgt. Der Vortrag wird sich vor dem Hintergrund der komplizierten Diskursgeschichte des Wortes ‚Heimat‘ mit der Frage auseinandersetzen, ob und ggf. wie eine Rehabilitierung von ‚Heimat‘ dazu beitragen kann, die Krisen der Gegenwart und die Herausforderungen der Zukunft zu meistern und jenen gesellschaftlichen Zusammenhalt zu bewahren, der in politischen Reden so oft beschworen wird.
Der Vortrag ist Teil der Veranstaltungsreihe "'Kulturrevolution von rechts'?" zu Strategien und Wirkung der Neuen Rechten.
Datum und Ort:
Donnerstag, 06.10.2022, 18 Uhr, Gedenkstätte KZ Osthofen
Anmeldung:
Aufgrund der aktuellen und sich verändernden Pandemiebestimmungen bitten wir um vorherige Anmeldung. Bitte senden Sie hierzu eine Email an info@projektosthofen-gedenkstaette.de oder melden Sie sich telefonisch unter 06242-910825.
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