Osthofen


Jakob Bechtel (4. März 1898 - ???)

Jakob Bechtel wurde 1898 in Eich geboren. Er heiratete 1936 Hedwig Au, lebte in Osthofen und hatte mit ihr zwei Kinder. Der Eisenbahner war Mitglied der SPD, des „Reichsbanners-Schwarz-Rot-Gold“ sowie der „Eisernen Front“, einem Zusammenschluss demokratischer Verbände und Parteien im Kampf gegen den Nationalsozialismus.
Aufgrund des „Gesetzes zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums“ erfolgte im Juli 1933 seine Entlassung aus der Reichsbahn. Er wurde zwei Jahre lang von der Polizei überwacht und für vier Wochen im Konzentrationslager Osthofen inhaftiert. Nach seiner Haftentlassung konnte Bechtel bis 1939 zunächst keine neue Arbeit finden. 1937 wurde sein Haus abgerissen sowie ein Teil seiner Möbel beschlagnahmt.


Wilhelm Biegi (16. Mai 1894 - ???)

Wilhelm Biegi wurde 1894 in Osthofen geboren. 1930 heiratete er Barbara Stein, sie hatten vier Kinder. Vor 1933 war der Arbeiter Mitglied der KPD. Im März 1933 verhaftete ihn die SS und verschleppte ihn für vier Wochen in das Konzentrationslager Osthofen. Auch nach seiner Haftentlassung ging seine Verfolgung weiter.
Biegi überlebte die NS-Diktatur und bemühte sich erfolglos um eine Anerkennung als Verfolgter.

Stadtansicht Osthofen
©Carsten Costard/Stadt Osthofen

Pauline (Lina) Schöfer, geb. Finger (20. September 1892 - ???)

Lina Finger wurde 1892 in Osthofen geboren. Sie heiratete 1914 Johann Schöfer, gemeinsam hatten sie fünf Kinder. Frau Schöfer trat 1919 der SPD bei, war Vorstandsmitglied im Osthofener SPD-Ortsverein, Gründerin und bis 1931 Vorsitzende des Ortsvereins der Arbeiterwohlfahrt. Darüber hinaus gründete sie eine Kinderfreunde-Gruppe und vertrat die SPD im Osthofener Stadtrat.
Lina Schöfer war eine der wenigen Frauen, die kurzfristig im Konzentrationslager Osthofen inhaftiert waren. Durch ihr großes soziales und politisches Engagement war sie bei den Nationalsozialisten verhasst. Am 18. März 1933 durchsuchten SS und Polizei das Haus des Ehepaares bei einer großangelegten Razzia. Lina Schöfer wurde unter Beifall ihrer politischen Gegner, die sich am Straßenrand versammelt hatten, in das KZ Osthofen verschleppt. Man zwang sie, einen ganzen Tag stehend in der Fabrikhalle zu verbringen. Abends wurde sie verhört und mit der Drohung entlassen, man habe in Zukunft ein scharfes Auge auf sie und würde sie für längere Zeit inhaftieren, falls man ihr auch nur den geringsten Verstoß nachweisen könne. Noch 1944 wurde diese Drohung von einem politischen Leiter der NSDAP in Osthofen wiederholt. Dennoch traf sich Lina Schöfer mit einigen Genossen während der NS-Diktatur heimlich zum Abhören ausländischer Rundfunksender.
Nach Kriegsende trat Lina Schöfer erneut in die SPD ein und wurde in den Vorstand gewählt.

Jakob Westhäuser (12. Februar 1892 - 1953)

Jakob Westhäuser wurde 1892 in Osthofen geboren. Er heiratete 1919 Maria Schober. Aus der Ehe gingen zwei Kinder hervor. Bechtel arbeitete als Makler und Wirt, war zeitweise Mitglied der SPD und Vorsitzender des Osthofener Ortsvereins des „Reichsbanners Schwarz-Rot-Gold“. Bereits vor der Ernennung Hitlers zum Reichskanzler prügelten SS-Leute aus Osthofen – unter anderem der spätere Lagerleiter Karl d’Angelo – ihn krankenhausreif. Um ihn auch finanziell zu schädigen, wurde sein Geschäft boykottiert. Ein bewaffneter SA-Mann hinderte Kunden am Eintreten in sein Geschäft mit der Begründung, der Inhaber sei „kein Deutscher, sondern ein roter Hund“. Es folgte eine sechswöchige Inhaftierung im Konzentrationslager Osthofen, wo sein Sohn ihn oft besuchte. Nach seiner Haftentlassung blieben die Kunden aus, sodass Westhäuser sein Geschäft schließen musste. Sein Maklerpatent wurde ihm ebenfalls entzogen. Dies führte schließlich zur Zwangsversteigerung seines Hauses, da Westhäuser die Kreditraten nicht mehr bezahlen konnte. Möglicherweise folgte eine zweite sechswöchige Haft in einem anderen Konzentrationslager.
Jakob Westhäuser starb 1953.


Valentin Wilhelm (1. September 1905 - ???)

Valentin Wilhelm wurde 1905 in Osthofen geboren. Er arbeitete als Zementschleifer, war verheiratet und hatte fünf Kinder. 1933 war er in sogenannter „Schutzhaft“, vermutlich im KZ Osthofen. 1937 wurde Valentin wegen „Mithilfe bei jüdischen Geschäften“ in das Konzentrationslager Oranienburg eingeliefert. Im Oktober 1944 erfolgte auf Anweisung eines Feldgerichts eine zweite Einlieferung in das Konzentrationslager Oranienburg, dieses Mal wegen Befehlsverweigerung. Ende März 1945 konnte Wilhelm während eines Luftangriffs aus dem Konzentrationslager fliehen. Nach Kriegsende lebte er wieder in Osthofen.

Ludwig Ebert
Foto: Henry Ebert

Ludwig Ebert (22. Juni 1867 – 26. März 1944)

Ludwig Ebert wurde am 22. Juni 1867 in Fürth in Bayern geboren. Ab 1885 war er in Osthofen wohnhaft gemeldet. Dort heiratete er 1891 Philippine Hirsch, deren Eltern ein Schuhwarenhaus in Osthofen betrieben. Es ist wahrscheinlich, dass die beiden in den Anfangsjahren ihrer Ehe im dazugehörigen Wohnhaus in der Osthofener Hauptstraße 34 lebten, bevor sie später ihr stattliches Wohnhaus in der Schwerdtstraße 13 bezogen. 1892 wurde die gemeinsame Tochter Flora Hilda geboren, 1895 Sohn Arthur.

Seit 1886 arbeitete Ludwig Ebert als Prokurist  in der von Gustav Rumpel 1872 gebauten „Papier- und Pappdeckelfabrik“ im Ziegelhüttenweg 50 (heute 38) in Osthofen. Spätestens ab 1893 gehörte das Gebäude zunächst als „Papier-Manufactur Mannheim“, später als „Papierfabrik Osthofen“ Josef Kahn. Seit Dezember 1925 lautet der Name der Firma „Papierfabrik Osthofen AG“. Für sein 25-järhiges Firmenjubiläum wurde er dort 1911 geehrt. Neben seiner dortigen Tätigkeit als Prokurist war Ludwig Ebert mit seinem Sohn Arthur Inhaber des „Papierwerks Ludwig Ebert & Sohn“ in der Jahnstraße 32 in Osthofen.

Ludwig Ebert war ein engagierte Osthofener Bürger. So war er zeitweise 1. Vorsitzender der AOK, gehörte seit 1925 dem Vorstand der Osthofener Synagoge an, war ortsansässiger Geschäftsmann und als Mitglied der DVP sowie Loge politisch engagiert. Die alteingesessene jüdische Familie war den neuen nationalsozialistischen Machthabern ein Dorn im Auge, so hieß es in einem Werkschutzbericht aus dem Jahre 1937: „Der Jude Ebert verstand es, als er noch in Osthofen wohnte, sich durch geldliche Unterstützung ärmerer Leute Sympathien zu verschaffen. Politisch Angehöriger der Deutschen Volkspartei hat er aber auch die Linksparteien unterstützt, 1933 war er vorübergehend im Konzentrationslager Osthofen inhaftiert.”

Nach seiner Entlassung aus dem Konzentrationslager Osthofen verließ Ludwig Ebert im Jahre 1934 Osthofen und zog nach Worms; seine Frau Phlippine war bereits 1933 verstorben. Dort war er vom 22. März 1934 bis 13. Dezember 1938 in einer Wohnung in der Kriemhildenstraße 20 gemeldet. Im Haus von Isidor Kiefer waren weitere jüdische Familien wohnhaft. So ist anzunehmen, dass Haus und Bewohner nicht vom Novemberpogrom 1938 verschont blieben, denn kurz darauf -am 13. Dezember 1938- verzog Ludwig Ebert nach Frankfurt und betrieb von dort seine Auswanderung. Sein Papierwerk in Osthofen hatte er vor 1938 bereits verkauft.

Am 5. Mai 1939 verließ er Deutschland und wanderte in die Niederlanden aus. Aber auch hier war er vor der Gestapo nicht sicher. Die Geheime Staatspolizei in Frankfurt beantragte im Jahre 1941 beim Reichssicherheitshauptamt in Berlin seine Ausbürgerung. Im Frühjahr 1944 wurde er inhaftiert: Vom 15. bis 23. März 1944 war Ludwig Ebert im Sammellager Westerbork interniert, von wo aus er am 23. März 1944 nach Ausschwitz deportiert und dort drei Tage später, am 26. März 1944, ermordet wurde.

Heute erinnert ein Gedenkstein auf dem jüdischen Friedhof in Osthofen an ihn.


Quellen: Auswärtiges Amt Ausbürgerungsantrag Liste 219 Nr. 31 1940-1943 Akte 83-76; Online Gedenkbuch des Bundesarchivs für die Opfer der nationalsozialistischen Judenverfolgung in Deutschland 1933-1945 (http://www.bundesarchiv.de/gedenkbuch/directory.html.de?result#frmResults, Zugriff: 6.03.2013); www.wormserjuden.de/Biographien/Ebert-1.html(Zugriff: 4.10.2012); www.alemannia-judaica.de/osthofen_synagoge.htm (Zugriff: 4.10.2012); Hessisches Staatsarchiv Darmstadt G12 B9/9; Yad Vashem; Stadtarchiv Osthofen; Walter Konrad ; Birgit Jäger; Irmgard Offen; Standesamt Osthofen; Standesamt Worms; Stadtarchiv Worms Pässe 1933-40 13/2209; Dr. Karl und Annelore Schlösser; Erinnerungsbericht Hans Hein vom 3.10.1977, Karl Schreiber Nachlass im Archiv des Studienkreises Deutscher Widerstand 1933-45 e.V.

 

<< Zurück zur Übersicht

weiterlesen >> Westhofen

Bildergalerie


Scroll to Top