Germanenbilder seit der Aufklärung von Volker Gallé
Bei Montesquieu (1748) gibt es den „esprit des loix“ und bei Voltaire (1756) den „esprit des nations“. In der deutschen Übersetzung Volksgeist verliert dieser Geist an Esprit, an überraschender Erkenntnis und rhetorischer Überzeugungskraft. Der Enthusiasmus, die Begeisterung des französischen Wortes erhält eine ebenso dunkle Note wie der Volksbegriff. Und das kommt weniger von der denkerischen Tiefe, die der klassischen deutschen Kultur nachgesagt wird, sondern vom nationalistischen und rassistischen Missbrauch der Worte Geist und Volk im Deutschland des späten 19. und frühen 20. Jahrhunderts. Von der Spätaufklärung bis zur Niederlage der Demokraten 1849 war eine republikanische und europäische Lesart möglich, in der Freiheit und Gleichheit als zentrale Begriffe einer politischen Mythologie der Deutschen verstanden werden konnten, und zwar verbunden mit einem förderalen Kulturbegriff, der auf Bildung setzt statt auf Gewalt.
Ein bisschen wie die Irokesen waren da die alten Germanen, edle rousseauistische Wilde, die in den Wäldern des Nordens in ihrer selbstverständlichen Freiheit auch Geschwisterlichkeit und Gastfreundlichkeit ausstrahlten, eben republikanische Gegenbilder zum dekadenten, machthungrigen Feudalismus und eine Alternative zur Maschinenideologie des autoritären Staates. Schon Tacitus hatte seine durch die römischen Caesaren verratenen republikanischen Ideale in die barbarischen Germanen hineingeträumt. Und die Germanen unterschieden sich über Jahrhunderte in den Bildern der Überlieferung kaum von den Kelten, die erst nach dem mörderischen Versagen der Deutschen an der Aufgabe der Humanität im Nationalsozialismus zu deutschem Ahnenersatz wurden. Noch Friedrich Engels arbeitete 1848 mit dem Positivbild des roten Siegfried für die Rebellen: „Wir wollen hinaus in die freie Welt. Für Riesen und Drachen haben die Philister auch gesorgt, namentlich auf dem Gebiete von Kirche und Staat.“ Die Republik verliert ein Jahr später in Deutschland. Es bleibt nur der ins Nationalistische gewendete Einheitsbegriff, dessen Begeisterungspotenzial von den politischen Eliten ins Dunkel von Rassismus und Chauvinismus umgelenkt und als Energieabfuhr für die am industriellen Alltag erkaltenden Gemüter genutzt wird. Die Germanen mutieren von republikanischen Hippies zu gefühllosen Panzerkriegern, die nur noch in den Tod verliebt sind, nicht zuletzt eine Reaktion auf die Erfahrung junger Männer im ersten Weltkrieg. Während der hochmittelalterliche Autor des Nibelungenlieds den selbstverschuldeten Untergang der Burgunder eher als Warnung denn als Vorbild inszeniert, macht Göring daraus seine verlogene Stalingradpropaganda: Krieg wird total. Solche Gewaltphantasien sind es auch, die rechtsextremistische Mentalität heute speisen und am Ende zu Mord und Totschlag führen. Dafür müssen immer wieder Bilder und Namen der germanischen Mythen herhalten. Was wir heute überhaupt von den Germanen wissen, was da wie verknüpft wird, mit welchem Recht, was dem historisch entgegensteht, welche Alternativen es gibt – das wird Gegenstand dieser Tagung sein.
Zielgruppe:
Alle Interessierten
Veranstalter:
Nibelungenlied-Gesellschaft Worms e.V. in Kooperation mit dem Förderverein Projekt Osthofen e.V., dem Nibelungenmuseum Worms, der Stadt Worms und der Landeszentrale für politische Bildung Rheinland-Pfalz
Information und Anmeldung:
Förderverein Projekt Osthofen e.V.
67574 Osthofen, Ziegelhüttenweg 38
Tel.: 06242-910825
E-Mail: info@projektosthofen-gedenkstaette.de
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